Klettern im Libanon
Warum nicht mal Klettern im Libanon?
Wenn man an ‚Kletterurlaub‘ denkt, sind es vor allem Länder wie Spanien, Frankreich oder Griechenland, die einen in den Sinn kommen. Die Liste könnte man jetzt sicher noch um einige Zeilen erweitern. Irgendwann am unteren Ende stünde, wenn überhaupt, der Libanon und das sowohl begründet durch (Un-)bekanntheit als auch nach Gebiets- und Routenvielfalt.
Der Libanon (nein, nicht Libyen) liegt in Vorderasien nördlich von Israel und westlich von Syrien. Mit ca. 6 Mio. Einwohnern ist es gerade mal gute 200 km lang und maximal 100 km breit, und somit geografisch, gelinde gesagt, auch ziemlich unbedeutend. Der Großteil der Bevölkerung lebt in oder um die Hauptstadt Beirut an der Küste zum Mittelmeer, nur ein geringer Anteil lebt im Landesinneren, welches durch das ziemlich zerklüftete Libanon-Gebirge und mit Bergen über 3.000 Metern das Landschaftsbild natürlich stark prägt.
Ok, und warum das jetzt alles? Die Frage ‚Wie kommt man überhaupt auf die Idee dort Urlaub zu machen?‘, musste ich mir im Vorfeld doch einige Male anhören. Hier kamen tatsächlich einige Sachen zusammen: Lust etwas Neues kennenzulernen, Freunde aus dem Studium zu besuchen, kulinarische Spezialitäten zu genießen, aber eben auch ‚normales‘ Urlauben (Kultur, Strand, Städte und so) mit Klettern, Natur und Bergen zu verbinden.
Und wo genau klettert man dort jetzt?
Es gibt im Libanon jetzt nicht genau diesen einen Ort, sondern viele Spots, die man besuchen sollte. Der große Vorteil ist, dass man im Libanon nie länger als 2 Stunden irgendwo hinfahren muss. Das Land ist einfach zu klein für lange Distanzen. Es gibt im direkten Umkreis von Beirut sogar einige Gebiete die sich lohnen: Nahr Beirut (Daychounieh) ist lediglich 20 min von Beirut entfernt und verfügt über 16 Routen. Wir haben dieses Gebiet aber nicht besucht, im Oktober ist es hier einfach noch zu heiß. Im Winter aber sicher einen Besuch wert, gerade wenn man in Beirut ist. (http://www.lebaneseclimbingassociation.org/nahrbeirut).
Nördlich von Beirut, ca. 1h entfernt in der Nähe von Byblos, liegt Amchit, welches schon sehr an südspanische Gebiete erinnert. Es lohnt sich definitiv hier mal einen Tag vorbei zu schauen und auf dem Weg noch die historische Stadt Byblos zu besuchen. Amchit liegt in einer Schlucht, von der man in einigen Kilometern Entfernung das offene Meer sehen kann (http://www.r-a-d.org/?page_id=797)
Um in die lohnendsten Gebiete, welche in letzter Zeit am meisten Aufmerksamkeit erhielten, zukommen, muss man ca. 1,5h bis 2h in die Berge fahren. Um den kleinen Bergort Tannourine gibt es sowohl ältere Gebiete (z.B. Tannourine El Fawqa (Chir Al Ribazi): Diese wurden bereits in den neunziger Jahren von der Französischen Armee zu Trainingszwecken erschlossen und kürzlich saniert. Keine Sorge abgespeckt ist hier trotzdem nichts. (http://www.lebaneseclimbingassociation.org/tannourine-el-fawqa)
Hingegen wurde Tannourine El Tahta erst 2013 begonnen einzubohren. Es befindet sich mehr oder minder direkt in dem Dorf Tannourine. Der Felsriegel ist eigentlich nicht zu übersehen und hinterlässt auf den ersten Blick schon mal einen ziemlich positiven Eindruck. Ziemlich hoher orange-grauer Kalk und kein Kletterer zu sehen. WIN! Also haben wir nach Ankunft kurz noch ein paar Snacks im lokalen Supermarkt besorgt und ab gings an den Fels. Zustieg dauerte ganze 4min und das auch nur, weil wir mit der Parkplatzwahl eher zurückhaltend waren. Angekommen an der Wand wirkte alles erstmal ziemlich hoch. Auch wenn mir von diversen Quellen bestätigt wurde, dass ein 70m Seil locker ausreichen würde, war ich froh, trotzdem zum 80er gegriffen zu haben. Tatsächlich gibt es genug Linien, die sogar länger als 40m sind und bei denen man beim Ablassen schon gehörig aufpassen sollte. Generell gibt es eine ganz gute Vielfallt an Routen. Sowohl 5a’s als auch 8c’s und Sinter, Plattentouren, Leisten als auch steile Höhlentouren wie man sie aus Spanien kennt, auch wenn diese hier nicht immer ganz so extrem versintert sind. Bei der Suche nach der richtigen Route gibt es leider immer wieder Schwierigkeiten: In der Regel ist nichts am Fels angeschrieben und im Vergleich zu den (veralteten) Online-Topos gibt es zudem einige neue Linien. Die Topos, die es aktuell gibt, findet man alle online. Es wird zwar daran gearbeitet einen ‚kompletten‘ Kletterführer für den Libanon zu erstellen, der dann auch alle Neutouren beinhalten wird. Wann der aber fertig ist, steht in den Sternen. Generell gibt es in El Tahta mittlerweile weit mehr als 150 Touren, von denen die meisten länger als 35m sind.
Die beste Reisezeit ist sicher im Frühjahr oder Herbst. El Tahta liegt zwar auf knapp 1.000 Metern, aber bis zum frühen Nachmittag kriegt das Gebiet ganz gut Sonne ab und dann ist es selbst im Herbst noch zu warm. Es gibt jedoch auch einige Sektoren, die im Schatten sind, so zum Beispiel auch der Sektor ‚Schawarma Cave‘, der oberhalb vom Hauptgebiet liegt und einige schwere Touren zu bieten hat.
Falls es einen hier doch zu heiß wird, kann man auch immer noch 20 min weiter die Berge hinauffahren um nach Tannourine El Fawqa zu gelangen. Durch die Höhenlage ist es hier kühler und kriegt auch mehr Wind ab. Zudem hat man einen traumhaften Blick in ein unbesiedeltes grünes Tal.
Libanon ‚Kletter-Beta‘
Anreise:
Die Anreise ist ziemlich unkompliziert: Es gibt sowohl Direktflüge aus diversen deutschen Städten (Lufthansa aus Frankfurt, Germania aus Berlin, München und Köln) als auch diverse Umsteigeverbindungen z.B. über Istanbul nach Beirut. Dort am besten direkt einen Mietwagen nehmen und die Stadt verlassen. Dies bietet sich an, zumal der Flughafen etwas außerhalb ist und die meisten internationalen Flüge nachts ankommen. Somit spart man sich Nerven und Verkehrschaos in Beirut. Alternativ kann man sich auch erstmal 1-2 Tage in Beirut akklimatisieren. Der Libanon ist ein kleines Land. In höchstens zwei Stunden kann man von Beirut aus jeden Ort erreichen. Ohne Auto wird dies allerdings schwierig.
Beste Reisezeit:
Das ganze Jahr über, ausgenommen von den heißen Sommermonaten (Juni bis August). Von Februar bis Mai herrscht trockenes Klima mit moderaten Temperaturen vor. Im Herbst kommt es, gerade in höheren Lagen, am Nachmittag häufiger zu Regenschauern.
Übernachtung:
Es gibt ausreichend Unterkünfte überall im Libanon. In Tannourine selbst gibt es ein modernes Hotel (leider direkt in Felsnähe) und nicht unbedingt auf die Bedürfnisse von Kletterern angepasst. Es empfiehlt sich daher kostengünstig in kleineren Unterkünften zu bleiben. Die anderen Gebiete kann man entweder von Beirut aus besuchen oder z.B. von Byblos (20 min von Amchit) und mit Kultur verbinden oder von dem kulinarischen Angebot profitieren.
Wo Klettern:
Tannourine El Tahta ist mit Abstand das lohnendste und populärste Gebiet im Libanon. Zudem bittet es mit mittlerweile mehr als 150 Routen die größte Vielfalt (5a-8c) und Abwechslung. Es wird vieles Geboten: Versinterte Strukturen, Höhlen, Wandkletterei und Risse. Ein 80m Seil sollte man hier schon dabeihaben. Es wurde eher im ‚Kalymnos-Style‘ gebohrt, somit sind 20 Exen ebenfalls zu empfehlen. Routenempfehlungen: Khalas Habibe (7a+), Beirre (7a),Shmeil (7b).
Tannourine El Fawqa, auf 1.600hm gelegen und etwa 20min mit dem Auto von El Tahta, lohnt sich ebenfalls für ein paar Tage Genussklettern. Es gibt 40 Routen (4c-7c) und einen traumhaften Ausblick. Routenempfehlungen: SOS a Mure (6b), Le Peuple De l’Herbe (6c), Total Keops (7b)
Jedoch lohnen auch weitere Gebiete einen Besuch. Man kann diese aber auch von der Routenplanung abhängig machen, wenn man nicht nur zum Klettern in den Libanon kommt: Hervorzuheben ist Amchit mit 17 Routen von 5b bis 7b, 15min von Byblos bzw. 1h von Beirut. Zudem lohnt sich im Winter auch ein Besuch in Nahr Beirut, dem nächsten Gebiet von Beirut. In allen anderen Jahreszeiten wird es hier allerdings zu heiß.
Es gibt noch weitere, kleinere Gebiete, die zum Großteil hier zu finden sind: http://www.lebaneseclimbingassociation.org/sportsclimbing. Es lohnt sich allerdings vorab mit ein paar Locals Kontakt aufzunehmen, um sich über neue Gebiete/ Entwicklungen zu informieren. Ein Kletterführer für den Libanon gibt es aktuell noch nicht, allerdings ist Jad (Insta: jadkhoury) gerade dabei diesen zu erstellen. Im Zweifel kann man ihn auch mal direkt anschreiben. Für die weiteren Topos, die nicht auf der Webseite der Lebanese Climbing Association zu finden sind, gibt es bei R-A-D (Rock climbing Association for Development): Tannourine EL Tahta (http://www.r-a-d.org/?page_id=803 und http://www.r-a-d.org/?p=1391), Amchit (http://www.r-a-d.org/?page_id=797). Leider alles schon seit längerer Zeit nicht mehr aktualisiert.
Wo und was essen:
Libanon ist weltweit bekannt für gutes Essen. Falafel, Humus, Shawarma, Baba Ganoush, Tabouleh, Zaatar Manoushe… Man kann eigentlich nicht genug davon bekommen. Falls doch gibt es auch noch europäisches Essen (Pizza, Burger etc.) oder man kocht einfach selbst mit einer Qualität an Gemüse, die es bei uns fast nicht zu finden gibt. Definitiv ein ideales Reiseziel für Vegetarier. Wenn man auch auf Milchprodukte verzichtet, wird es allerdings schwierig hier Ersatzprodukte (Sojamilch, Mandelmilch, Tofu…) zu finden. Gegebenenfalls mitbringen oder verzichten.
Beste Pausentagsunterhaltung:
Es kommt ein wenig darauf an, wann man kommt. Wenn es warm genug ist, ist sicher ein Strandtag keine schlechte Idee. Ideal ist beispielsweise Batroun, hier gibt es auch einen DWS Spot. Ansonsten gibt es in den Bergen ein paar Wanderwege oder man kann tausende Jahre alte Zedernwälder besuchen. Die Zeder dient als Nationaldenkmal im Libanon, wie auch unschwer in der Flagge zu erkennen ist. Außerdem kann man noch die Schlucht von Baloue Balaa besuchen und nebenher die erste 9a Libanons von David Lama besichtigen (https://www.youtube.com/watch?v=Y8MeC3AbllU). Desweitern lohnt sich ein Abstecher nach Baalbek, um sich die historischen Ausgrabungsstätten anzusehen. Wirklich beeindruckend auch für Leute, die es sonst nicht so mit Archäologie haben! (Sneak Peak: Die Römer haben es hier fertig gebracht 212 Tonnen (sic!) schwere Steinquader zu bewegen). Byblos ist ebenfalls ganz nett für einen Nachmittag und Beirut ist vor allem fürs Party machen und Restaurants bekannt.
Nicht vergessen:
Badehose, Flip Flops und Short sind schon mal die halbe Miete. Eine Regenjacke kann man machen, aber eigentlich ist man vom Fels schnell genug wieder am Auto. Wo wir gerade beim Auto sind: Eine gute Prise Gelassenheit kann im Verkehr generell nicht schaden, hupen wird eher als Warnung verstanden und drängeln gehört zum guten Ton.
Insider Tipps:
Libanesen sind unglaublich nett und gastfreundlich. Es macht Sinn sich im Vorhinein ein wenig mit der Geschichte auseinander zu setzen. Schließlich handelt es sich hier um eine parlamentarische Demokratie (einzigartig in der Region), welche durch den Konfessionalismus sehr komplex ist und versucht allen Ethnien gerecht zu werden.
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