Calanques, Frankreich
Dieses Jahr beschlossen wir, mal wieder über die Weihnachtsfeiertage bis Anfang Januar Urlaub zu machen, um mit den (erwachsenen) Kindern gemeinsam Zeit zu verbringen. Semester- und Schulferien decken sich kaum, so dass dieser Zeitraum die passende Gelegenheit bot.
Aufgrund des in Frankfurt üblichen grauen Wetters wollten wir eigentlich zum Klettern nach Teneriffa fliegen, um dort Sonne, Fels und Meer zu genießen. Die Preisermittlung für Flüge, Unterkunft und Mietwagen für vier Personen in der Ferienzeit waren allerdings sehr ernüchternd. Hier war zumindest diesbezüglich früher einiges besser.
Da es aber für Teile der Familie unbedingt Meer sein sollte, fiel die Wahl auf die Calanques nahe Marseille. Hier waren wir mal Mitte der 1990er Jahre klettern und ich hatte eine vage Erinnerung an tolle Landschaft. Die Calanques (Buchten) bei Marseille zählen zu den schönsten Landschaften Frankreichs. Außerdem bestand nach gut überstandener SchulterOP im plattigen und geraden Klettergelände dort nicht so die Gefahr, die Schulter wieder zu überlasten.
Wir fanden eine schöne Wohnung in Cassis am östlichen Rand der Calanques und die Anreise per PKW gestaltete sich trotz der über tausend Kilometer relativ entspannt.
Bei früheren Reisen um diese Jahreszeit nach Südfrankreich hatten wir alle möglichen Wetterlagen, diesmal aber Glück, an vielen Tagen war Sonne pur angesagt. An einigen Tagen packte ich sogar die kurze Hose beim Klettern aus. Abends sind die Temperaturen aber durchaus mit denen in Frankfurt vergleichbar, so dass dann Daune Pflicht war.
Der Kletterführer „Climbing in the Calanques“ bietet auf über 600 Seiten reichlich Auswahl für alle Geschmäcker. Vorherrschend ist jedoch Platten- und Wandkletterei, gerne an scharfen Tropflöchern. Dafür muss man/frau schon einen Hang zu „Oldschoolklettern“ haben. Die meisten fahren auch eher für die Mehrseillängen her. Diese haben wir aber aufgrund der fehlenden Erfahrungen unserer „Boulderkids“, aber auch meiner Vorliebe für Einseillängen nicht gemacht.
Wer in den Calanques klettern möchte, sollte sich ein wenig vorbereiten. Französische Kletterführer sind stilistisch ohnehin eher nicht vorne dabei, was die Übersichtlichkeit angeht. Die Landschaft mit den vielen Buchten und Wegen und Abstechern zum Fels macht es aber manchmal auch nicht einfach. Eine Wanderkarte für den Überblick ist hilfreich. Auch sollte man nicht lauf faul sein. Einige Gebiete haben ordentliche Zustiege.
Unbedingt sollte man die Windverhältnisse im Auge behalten. Trotz Sonne kann es bei Mistral oder Ostwind empfindlich kalt werden. Der Kletterführer gibt meist an, vor welchem Wind man wo geschützt ist.
Der Zugang zu den Sektoren führt – wohl aus Naturschutzgründen – nur über ausgewählte Parkplätze, die gerne voll sind. Insbesondere von Marseille aus ist das Gebiet auch für Nichtkletterer Naherholungsgebiet. Wer spät kommt, sucht und läuft im Zweifel noch weiter. Abschrecken lassen sollte man sich von den Menschenmassen aber nicht. 90% laufen zu irgendeinem Belvedere (Aussichtspunkt) und nach 15 Minuten fragt man sich schon, wo die Menschen alle hin sind. Wer auf die parkplatznahen Gebiete schielt, muss mit abgespeckten Routen leben können, daher lohnt es sich aus meiner Sicht schon, ein paar Meter zu laufen. Die Aussicht entschädigt oft dafür.
In den Einseillängengebieten hatten wir oft unsere Ruhe, mehr als ein bis zwei weitere Seilschaften gab es selten. Mir wurde aber berichtet, dass die klassischen Mehrseillängen Spots mehr als gut gefüllt waren. Bei einer Wanderung zur Candelle, welche wohl eine der bekanntesten Mehrseillängentouren bietet, konnten wir uns auch selbst davon überzeugen.
Wer genug von Tropflöchern hat und/oder auch mal was Anderes sehen will, findet im Hinterland Richtung Toulon weitere Gebiete (ua. das in früheren Zeiten eher bekannte und beliebte Cimai). Aber Achtung, in der Gegend wird knackig bewertet. In Kalymnos oder Leonidio aufgebaute Egos können hier einen Dämpfer erleiden ;-). Wir schauten uns das Gebiet namens Jaume an (20 Minuten von Cassis entfernt), welches beim Parkplatz mit einem hervorragenden Bäcker und oben mit Südseite mit perfekter Wintertauglichkeit aufwartet. Trotz der geringen Steilheit empfand ich das Gebiet eher als sehr athletisch. Insgesamt ist es einen Abstecher wert. Wo mich Mehrseilllänge allerdings doch sehr gelockt hätte, wäre am Cap Canaille gewesen. Von Cassis aus, was genau zwischen den Calanques und dem Cap liegt, schauten wir täglich auf die hohen, bizarr geformten Sandstein- und Konglomerat Formationen. Mangels Kletterführer (vergriffen und aus 2012) haben wir es aber dann doch gelassen.
Was sicherlich ebenfalls sehr reizvoll sein kann, sind die Klettereien direkt über dem Meer. Hier gibt es auch einige interessant aussehende und sehr lange Quergänge. Wer seinen Urlaub hier im Sommer mit Baden in Verbindung bringen möchte, sollte sich allerdings vorab gut informieren. Der Zugang zum Nationalpark ist aufgrund der Waldbrandgefahr und des Besucherandrangs in den Sommermonaten geregelt. Insgesamt ein schöner Urlaub, hauptsächlich bedingt durch perfektes Wetter und sensationelle Landschaft. Bei der Kletterei in den Calanques muss man wie gesagt einen Hang zu „Oldschool“ haben. Ich klettere das immer wieder mal gerne, rein klettertechnisch würde ich aber durchaus andere Gebiete vorziehen.
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