Interview: Max und die erste 8a im Taunus

Wie lange bist du schon am Bouldern und wie kamst du dazu?

Das ist eine gute Frage, wahrscheinlich um die Jahrtausendwende herum. Beziehungsweise habe ich da mit Sportklettern angefangen und irgendwann ist es dann immer weiter in Richtung Bouldern abgedriftet.

Angefangen hat das Ganze eines schönen Sommertages nach einem Schwimmbadbesuch. Der kleine Max hat seinen Kopf durchgesetzt, nochmal in das Gebäude neben dem Parkplatz hineinzuschauen. Ich kann mich noch daran erinnern, wie Felix – elegant wie eine Katze – die Wand hochgesneakt ist. Und von da an war klar, das will ich auch machen. Die ersten Jahre war ich dann in der Kidsgruppe und fing dann bei Bernd (fränkisches Urgestein) an, das Klettern etwas systematischer zu betreiben. Schnell ging es dann auch auf in die Fränkische, deren Felsen dann schnell zur zweiten Heimat wurden. Oft ging’s direkt nach der Schule los und Bernd hat noch seine ganzen Telefonkonferenzen im Auto abgehalten. Am Felsen war man dann wie in einer anderen Welt. Man vergisst den Alltag und ist nur auf das Hier und Jetzt konzentriert. Tja, und dieses Freiheitsgefühl lässt einen nicht mehr los…

Der beste Nebeneffekt vom Bouldern war bestimmt auch, dass ich hier Lena kennengelernt habe, die genauso vom Bouldern begeistert ist.

Ist Seilklettern eine Option, im Winter gehst du ja Eisklettern?

Wie schon kurz angeschnitten, habe ich damit sogar angefangen und Sportklettern auch ein paar Jahre ziemlich systematisch trainiert (zumindest für meine Verhältnisse). Wenn die Wettkampf-Session angefangen hatte, ging es dann aus der Boulderecke (ein paar mehr Blöcke kamen erst später hinzu, dass man es auch guten Gewissens Halle nennen kann) an das Seil, um wieder die Ausdauer zu bekommen. Wobei ehrlicherweise das Ausdauertraining eher Mittel zum Zweck war und nie so richtig Spaß machte. Lohnen tut sich das Training erst, wenn in der Fränkischen die nächsten Projekte gefallen sind. Wettkämpfe liefen damals ok (ab und zu mal auf dem Treppchen gestanden bei der Bayerischen) obwohl größere Erfolge dann ausblieben, da ich mit Publikum 3 Grade schlechter klettere. Das ist auch heute noch so und die schwersten Projekte fallen allein im Wald. Um zur Frage zurückzukommen: ab und zu geh ich auch mal gerne ans Seil, wobei die Ausdauer fehlt und es meist eher boulderlastige Touren werden. Als Kletterpartner ist dann Timon oder in der alten Heimat Kumpels wie Höfi und Urs dabei. Aber man kann es im Jahr meistens an einer Hand abzählen. Irgendwann die letzten Jahre hatte mich Timon auch mal auf Mehrseillängen in den Dolomiten überredet, da aufgrund der Wetterlage nichts anderes ging. Das war schon ein ziemlicher Kampf gegen die Ausdauer und die Arme waren ziemlich aufgeblasen. Eisklettern ist im Winter mittlerweile einmal auf dem Programm, da die Winterlandschaften im Gletscher einfach gigantisch sind und überhängendes Eis mich fasziniert.

 

Welche Gebiete sind deine Lieblingsgebiete und welche haben dich enttäuscht?

Da steht Rocklands auf jeden Fall ganz weit vorn, wo ich die letzten Jahre drei größere Trips verbracht habe. Die roten Sandsteinformationen in der Abendsonne sind wie aus einer anderen Welt und schreien gerade nach Weltklasselinien. Meine alte Heimat Frankenjura ist auch immer wieder jeden Besuch wert. Es gibt, glaube ich, kein anderes Gestein, in dem ich effizienter unterwegs bin. Bei jeder Bedingung kann ich hier perfekt den nötigen Grip einschätzen, man verlernt nie, was von klein auf einstudiert wurde. Aber auch der Odenwald ist mir irgendwie ans Herz gewachsen, obwohl ich, ehrlich gesagt, nirgendwo schlechter klettere, als an der scharfen kristallinen Struktur, die so typisch für den Odenwald ist.

Enttäuscht hat mich noch nichts wirklich. Außer vielleicht manchmal die Bedingungen in Bleau wenn nichts mehr trocken ist und aufgrund von Bruchgefahr einem zuhause die Decke auf den Kopf fällt.

 

Welche Felsart magst du am liebsten/gar nicht?

Am liebsten hab ich, glaube ich, den Muschelkalk in der Fränkischen oder Sandsteinleisten/-löcher… aber keine Sloper. Schwer getan mit Lernen habe ich mich im Gleeser Basalt, aber das klappt mittlerweile auch ganz gut. Gar nicht mögen gibt’s nicht, es hat jeder Fels seine genialen Besonderheiten und erst die Abwechslung macht das Bouldern perfekt.

 

Welche Ziele verfolgst du beim Bouldern (z.B. möglichst viel oder hart, alles ab 7a, etc.)?

Die lassen sich im klassischen Sinne schwer definieren. Manchmal sehe ich eine Tour und weiß direkt, die muss ich versuchen und da spielt oftmals erstmal nicht die Schwierigkeit mit rein. Es sind Bewegungsabläufe, Griffstrukturen, Felsformationen oder Landschaftskulissen, die mich hier faszinieren. Schwierigkeitsgrade spielen dann doch auch wieder eine Rolle in Bezug auf einen Richtwert, ob ich mich anstrengen muss oder ob es ein genialer Aufwärmbewegungsablauf ist. Meine Grenzen versuche ich immer weiter anzuheben und bin im stetigen Kampf gegen mich selbst. Die Kraft ist natürlich nicht mehr so wie sie mal war, aber die mentale Stärke und die Bewegungskoordination konnte ich die letzten Jahre deutlich verbessern und somit auch immer noch meine Grenzen nach oben schieben. Die Story mit allem ab 7a für manche Gebiete kam eigentlich erst auf durch Mangel an Alternativen. Und manche 7as, die verdammt morpho sind oder bei 40 Grad im Sommer, stellen dann doch auf einmal eine Herausforderung dar. Deshalb kam dann die Idee einfach alles zu klettern. Am liebsten bin ich in der Natur und dann lässt sich das gut kombinieren.

 

 

Arbeitest du lang an Projekten oder wirst du ungeduldig, wenn es nicht so läuft?

Uff, ungeduldig bin ich wohl sehr. Aber das hält mich dann doch nicht ab, es immer wieder zu versuchen. Fluchen kann ich wohl auch ganz gut… Aber die innere Befriedigung, wenn nach Jahren ein Bewegungsablauf sauber geklappt hat, macht dann den Stress und die Mühen wett. „Kurvenkratzer“ im Odenwald ist wohl ein super Beispiel. Angefangen hat das Ganze mit dem Start der ersten Coronalockdowns. Sascha hatte einen neuen Block gefunden und die ersten Linien waren schnell geklettert. Eine Linie fiel mir erst etwas später auf. In der ersten Session mit Annika gingen alle Züge und ich war guter Dinge, dass es ein schneller Durchstieg am nächsten Tag wird. Ca. 7c – je nachdem wie lange ich beim nächsten Anlauf brauche. Es kommt immer anders und zweitens als man denkt und bei der nächsten Session ging der Schlüsselzug beim besten Willen nicht mehr, noch nicht mal isoliert. Es folgte Session auf Session und irgendwann war das einzige Ziel, zumindest mal den Schlüsselzug nach den ersten beiden Startzügen zu schaffen. Ziel war noch nicht mal der Durchstieg, sondern einzelne Links aneinanderzuhängen. Sessions alleine im Dunklen, Schnee, bei besten Bedingungen in zweistelligen Minusgraden… Jahre vergingen, Max wurde stärker und eines Herbsttages bei ziemlichen Sturmböen fiel ich zweimal am Topzug zur Kante. Der Zug ist isoliert mit Abstand der leichteste, aber vom Start weg dann doch irgendwie nochmal ziemlich schwer. Die Motivation war ziemlich im Keller, weil es eigentlich schon 99,9 % erledigt war. Nochmal ein Jahr drauf im Winter war dann die Fingerkraft da, die Beta im Schlüsselzug noch etwas frontaler und sicherer zu klettern und so klappte auch der Topzug noch gut und meine erste 8a+ Erstbegehung konnte abgehakt werden.

 

Meine härteste „Nuss“?

Das sind natürlich die, an denen noch gearbeitet wird. Sobald der Durchstieg irgendwann gelingt, folgt eine Story dazu.

 

Hast du Vorbilder beim Bouldern?

Bouldern ist ein Sport, bei dem es um die eigenen Grenzen geht. Man tritt quasi selbst gegen sich an. Kurze Antwort: nein.

 

Lieber draußen oder drinnen?

Ganz klar draußen. Ich bin viel lieber in der Natur, da kann ich am besten in meine eigene Welt abtauchen.

 

Wie und wie oft trainierst du? Wie motivierst du dich für die harten Sachen?

Ich geh im Schnitt viermal die Woche bouldern. Das ist letztendlich auch schon das Einzige, was mit Struktur für Training übrigbleibt. Ich mache einfach das, was mir Spaß macht und irgendwie wird man genau dadurch besser. Motivation brauche ich nicht zu suchen, die ist einfach immer da.

Wenn’s Wetter schön ist und die Zeit es hergibt, gehe ich gerne nach draußen. Eine super Alternative dazu bietet das Studio Bloc, in dem ich meine restliche Zeit verbringe https://darmstadt.studiobloc.de/. Die Holz-Spraywall und das Kilterboard ist hier natürlich ein Muss im Winter, um richtig fit zu werden. Aber auch der riesige Boulderbereich mit tendenziell sehr bewegungslastigen Bouldern (bestimmt am aufwendigsten zu schrauben!) bietet eine super Alternative als Ausgleichstraining zu draußen und bringt gute Koordination.

 

Bist du lieber allein am Projekt oder gerne auch in der Gruppe?

Meine besten Leistungen kann ich abrufen, wenn ich ganz alleine bin, deshalb habe ich gerne für den Durchstieg meine Ruhe. Beim Auschecken hilft es oft noch weitere Ideen einzuholen und sich auszutauschen, deshalb finde ich es auch ganz cool mit ein paar Leuten am Block zu sein. Schlange stehen tu ich natürlich nicht gern, deshalb gibt’s hier auch eine Obergrenze, die in den Topgebieten an Klassikern heutzutage auch mal schnell erreicht sein kann. Bis 8a mag das noch gehen, wenn ich nicht viele Versuche benötige und dann auch weiterziehen kann. Zum Auschecken geh ich dann aber vielleicht doch lieber mal weiter.

 

Dem Taunus hast du jetzt seine erste 8a abgerungen, ein langer Kampf?

Nein, aber trotzdem hat es etwas gedauert. Ich hatte vor Jahren schon die Linie gesehen, als ich die anderen Boulder an dem Block gemacht habe. Es ist auf jeden Fall die Linie an dem Block, aber die Lösung ist dann doch nicht so offensichtlich, weshalb ein paar Jahre vergangen sind, ohne dass ich es probiert habe. War nur auf der Todo-Liste. Dann, nachdem ich für den letzten erschlossenen Boulder in den Taunus gefahren bin, einer sehr ausdauernden Traverse von dir, konnte ich diese zum Glück im ersten Go abhacken (vielleicht hätte meine Ausdauer auch beim zweiten Versuch schon gestreikt) und dann war nur noch diese eine Linie offen. Deshalb entschied ich mich, es mal ernsthaft anzugehen. Nach einer Stunde waren die meisten Einzelzüge gelöst und ich entschied mich, mal wiederzukommen, wenn die Temperaturen auf ein vernünftiges Niveau gefallen sind. Das war dann vor ein paar Wochen der Fall und ich fuhr mit der Motivation „die letzte schwere Linie im Taunus zu erschließen“ los. Beim Aufwärmen klappten die ersten Links und ich fing an, etwas fester zu ziehen. Leider waren die ersten Tritte etwas zu klein und verabschiedeten sich schnell. Ich stellte die Beta auf die großen markanten zurück und änderte den Zug an den Sloper nochmal, was sich aber als Fehler herausstellte, da ich genau an diesem Versuch im nächsten Go fiel. Also zurück zum Ursprung. Die Züge oben hatte ich aus Schmerzensgünden bis dato noch nicht geklettert. Nach dem Sloper hackt man ziemlich stark auf einige Spitzen. Der nächste Go brachte dann den Durchstieg und der Wille, wenn man von unten kommt, überblendet den Schmerz. Ein Gefühl der Freude auf dem Top überkommt einen und die Gedanken schweifen schon zum nächsten Projekt. Es muss weitergehen…

Was erwartet potenzielle Wiederholer?

Wahrscheinlich ist ein Cut am rechten Zeigefinger ;) den hatte ich auch. Sonst erwartet einen auf jeden Fall eine undefinierte Linie, was für den Taunus ja eher untypisch ist. Es ist alles dabei, nur man darf nicht nach links oder rechts abhauen, sondern immer schön der Linie folgen.

 

Dein Lieblingsboulder insgesamt bzw. auch im Taunus? Warum?

Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Wie vorhin schon angerissen, begeistern mich verschiedene Sachen am Bouldern wie Bewegungsabläufe, Felsformationen oder landschaftliche Lage. Die Abwechslung macht den Sport erst so richtig attraktiv. Kein Problem ist gleich und man muss immer dazulernen, um etwas zu schaffen.

 

Wie gefällt dir insgesamt die Boulderei im Taunus, auch verglichen mit anderen Gebieten in Reichweite?

In Reichweite liegen noch der Odenwald und das Nahetal. Etwas weiter liegt die Pfalz, was für einen Tagestrip auch immer schön ist. Das Beste am Taunus und Odenwald ist, dass man unter der Woche abends nochmal eine kleine Session machen kann. Der Taunus bietet eine schöne Abwechslung zu den typischen Odenwaldbouldern und auch hier finde ich es schön, immer mal was anderes machen zu können und bin mega froh, dass hier in der Umgebung doch ein paar abwechslungsreiche Bouldermöglichkeiten vorhanden sind.

 

NoGos beim Bouldern?

Mich nervt es, wenn nicht ordentlich geputzt wurde. Klar kann man im Granit oder ähnlichem (auf keinen Fall bei Sandstein -> Bruchgefahr) mal einen Griff trockenlegen. Das mache ich auch. Aber dann putzt das bitte wieder auf Ausgangszustand. Wenn nötig auch mit Wasser.

Was mich auch aufregt ist die Boulderpolizei. In dem Sport geht es um sich selbst und um die eigenen Grenzen. Mag sein, dass da manche mit sich unzufrieden sind und es an anderen auslassen müssen. Denkt euch euren Teil über andere im privaten Rahmen, aber öffentlich anderen auf den Zeiger zu gehen ist dämlich. Das widerspricht eigentlich dem wie ich die Community kennen gelernt habe und findet zum Glück nicht oft statt.

 

Was ich immer schon mal machen wollte?

… das mache ich! Sonst wär das ja schon rein logisch blöd, wenn ich’s net mache oder aufschreibe ;)

 

Was ich immer schon mal sagen wollte?

Habt Spaß beim Bouldern, aber nehmt Rücksicht auf die Natur und gebt euer Bestes, Spots für die Nachwelt zu erhalten.

 

Die gezeigten Bildern und Videos sind aus Instagram eingebunden. Hier die Links zu den Fotografen:

https://urs-naturfoto.de/

https://felsimkopf.de/

 

About the Author: Schiebekeks

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Klettert seit 1990. Nach vielen Jahren am Seil mit unzähligen Reisen mit und ohne Familie verstärkt am Bouldern.

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One Comment

  1. Thomas 2024-11-17 at 20:09 - Reply

    Tolles Interview

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